Deutscher Fachwerkpreis für Michael Abeln
Für die äußerst sensible Sanierung des stadthistorisch und fachwerkgeschichtlich für Quakenbrück wichtigen Fachwerkgebäudes Lange Straße 40 nahm Michael Abeln die Auszeichnung von Prof. Manfred Gerner von der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V. entgegen.
Über den 1. Platz freute sich ebenso Samtgemeindebürgermeister Claus Peter Poppe, der gemeinsam mit Abeln zur Preisverleihung nach Fulda gereist war. „Diese Auszeichnung wird nur alle fünf Jahre vergeben und bezieht sich auf herausragende Gebäude aus ganz Deutschland, also ist diese Würdigung für Michael Abeln und das Gebäude ‚Anno 1510‘ extrem hoch einzuschätzen“, so Poppe.
In der Laudatio ging Gerner zunächst auf die Bedeutung des Fachwerks im Allgemeinen ein. Zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert wurde in Deutschland fast ausschließlich in der Fachwerkbauweise gebaut. Diese nahm bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts einen besonders hohen Stellenwert ein. Heute sind es circa 2,5 Millionen stehende Gebäude in Fachwerkkonstruktion in der Bundesrepublik Deutschland und bilden damit über 15 % unseres Wohnungsbestandes. Nicht zuletzt ist es der Handwerkskunst von regionalen Betrieben zu verdanken, dass die Fachwerkhäuser einen wichtigen Beitrag zur Identitätsstiftung sowie zur touristischen Vermarktung des Standortes beitragen.
„Das heutige Anno 1510 stellt ein wichtiges Stück Fachwerkentwicklung in Niedersachsen dar“, so Manfred Gerner in seiner Laudatio zur Verleihung des ersten Preises an den Bauherrn Michael Abeln aus Quakenbrück.
Hier die ausführliche Laudatio von Prof. Manfred Gerner, Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V.:
Das Haus Lange Straße 40 steht in einer Ecksituation, dominant am Marktplatz von Quakenbrück. Das Fachwerkgebäude musste in vielen Jahrhunderten zahlreiche Umbauten und Veränderungen über sich ergehen lassen. Mitte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde – einem allgemeinen Trend folgend – das Fachwerk der Erdgeschossfassade an der Langen Straße und um die Ecke zur Kirchstraße entfernt und durch eine durchgehende Schaufensterglasfront ersetzt.
1510 wurde das Vorderhaus in reiner Geschossbauweise errichtet, 1739 erfolgte die erste Erweiterung noch in Geschossbauweise und 1840 dann eine zweite Erweiterung mit Stockwerksrahmenkonstruktion. Das zweigeschossige Vorderhaus bestand im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss aus je einer großen Halle, die durchgehenden Ständer waren dabei mit großen, geschweiften Kopfbändern mit den Balken verbunden. Diese Kopfbänder bewerkstelligten die Queraussteifung. Sie verringerten aber auch die freie Spannweite für die ungewöhnlich weit gespannten Deckenbalken: eine sehr klare und effektive Konstruktion.
Der Ursprungsbau aus dem Jahre 1510 stellt für Norddeutschland ein bedeutendes städtisches Fachwerkbaudenkmal dar und ist in dieser Bedeutung etwa dem 1528 errichteten Haus Ochsenkopf in Hann. Münden als seltener Vertreter eines Fachwerkstils gleichzusetzen.
Das Fachwerkgebäude – eines der ältesten Häuser Quakenbrücks – hat nicht nur eine bewegte Baugeschichte, sondern diente auch in vielen Funktionen. 1583 erhielt die Bürgerin „Alheit Kremers die Erlaubnis, eine Herberge vor wechfertige frombde Lude“ in dem Haus zu betreiben. Danach diente das Fachwerkhaus als Bäckerei, Kaffeerösterei, Handelslager, Kolonialwarengeschäft und Wäscheladen, bis es wieder zu einer Gaststätte wurde.
Mit dem Sanierungsbeginn 2014 begann für das Fachwerkgebäude ein neuer Lebensabschnitt. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse des Bauforschers und Dendrochronologen Erhard Pressler in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und der Denkmalschutzbehörde des Landkreises Osnabrück wurde das Haus in seinen wesentlichen Teilen – insbesondere zur Dokumentation des nur noch selten anzutreffenden ursprünglichen Zustands – in seinen Ursprungszustand zurückgebaut. Dazu wurden die Stahlglasfassade wieder entfernt, die starken Eichenständer repariert und vor allem alle fehlenden Kopfbänder rekonstruiert und damit die Stabilität und die beiden Hallen wiederhergestellt. Weiter wurden die Fundamente der Bauteile von 1739 und 1840 um 80 cm unterfangen. Bei den Grabungsarbeiten für den Kellerausbau wurden umfangreiche archäologische Ergebnisse gesammelt und ein Bodenprofil erstellt, das heute im Keller ausgestellt ist.
Der zugebaute Zwischenraum zum Nachbarhaus wurde zurückgebaut – damit erhielt das Gebäude seine ursprüngliche Proportion zurück und gleichzeitig wurden die durchgehenden Ständer sichtbar. Weiter wurde in feinster handwerklicher Arbeit die gesamte Fachwerkkonstruktion durchrepariert und, wo notwendig, ergänzt. Insgesamt wurden sorgfältig alle originalen Teile erhalten, die Originalstrukturen zurückgeführt bzw. deutlich gemacht, wie bei der ehemaligen Hofdurchfahrt und den Trennungen zwischen den Gebäudeteilen. Als neue Außentür wurde eine historische Tür aus der Zeit um 1880 eingepasst.
Mit dem abgeriebenen Kalkputz, Kalkanstrichen und den unbehandelten Fachwerkhölzern strahlt das Gebäude seine mehr als 500-jährige Geschichte aus. Unter dem Namen „Anno 1510“ wird die Gaststätte wieder betrieben und nimmt damit die Geschichte der ältesten Herberge und Schänke der Stadt Quakenbrück wieder auf.
Für die äußerst sensible Sanierung des stadthistorisch und fachwerkgeschichtlich für Quakenbrück wichtigen Fachwerkgebäudes Lange Straße 40 verleiht die Jury Herrn Michael Abeln den 1. Preis im Rahmen des Deutschen Fachwerkpreises.

Fotos: Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V.