Die jüdische Synagogengemeinde Badbergen-Quakenbrück war seit 1816 in Badbergen ansässig und umfasste Mitglieder aus dem gesamten damaligen Kreis Bersenbrück mit Ausnahme von Fürstenau.
Ende des 19. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt der Gemeinde nach Quakenbrück, wo bereits 1847 der erste jüdische Einwohner mit seiner Familie lebte. 1875 wurden in der Stadt 21 „Israeliten“ gezählt. Die Juden in Quakenbrück waren zum großen Teil Viehhändler, Stoffhändler und Schlachter; später kamen noch ein Holzhändler und ein Kaffeehändler hinzu.
Familie Neublum
1897 errichtete die Gemeinde eine Synagoge (Bethaus) an der Ecke Kreuzstraße/Friedrich-Ebert-Straße. Neben dem Gebetsraum barg sie einen Schulraum und eine kleine Wohnung für die Familie des Kantors und Lehrers. Die Beisetzungen der Gemeindemitglieder fanden auf dem jüdischen Friedhof in Badbergen-Grothe statt. Aufgrund der ansteigenden jüdischen Bevölkerung beschloss die Synagogengemeinde 1920, ein weiteres Friedhofsgelände zu erwerben. Auf diesem 1931 erstmals belegten Friedhof am Steimelager Weg in Quakenbrück sind bis heute Grabstätten einstiger jüdischer Mitbürger erhalten geblieben.
Jüdischer Friedhof Quakenbrück
Die Synagogengemeinde wuchs kontinuierlich; so wurden im Jahre 1925 54 Juden in Quakenbrück gezählt. Das Verhältnis der christlichen und jüdischen Quakenbrücker zueinander war moderat und freundlich. 1933 lebten noch 46 Juden in Quakenbrück, die überwiegend Handelsgeschäften nachgingen und in zahlreichen Vereinen tätig waren. Neben dem Verein ehemaliger jüdischer Frontsoldaten existierte auch ein jüdischer Frauenverein.
Im gleichen Jahr noch veränderte sich das Verhältnis zwischen den Juden und Christen langsam. Nach dem deutschlandweiten Boykott an jüdischen Geschäften am 1. April 1933, bei dem sich auch in Quakenbrück SA-Mitglieder vor jüdischen Geschäften postierten, begannen die ersten Juden ihre Geschäfte und Häuser zu verkaufen und Deutschland zu verlassen.
Ab 1935 wurden die jüdischen Einwohner auch hier zu „Menschen minderer Klasse“ degradiert. Der schreckliche Höhepunkt des Hasses kam in den Morgenstunden des 10. November 1938, als im Zuge der „Reichspogromnacht“ auch das Quakenbrücker Bethaus an der Kreuzstraße in Brand gesteckt wurde. Ursula Rosenfeld, geb. Simon, damals Schülerin der gegenüber gelegenen Höheren Mädchenschule, hat diese schreckliche Zeit in ihren Lebenserinnerungen festgehalten und darüber auch in dem mit einem Oscar prämierten Dokumentarfilm „Kindertransport“ berichtet. Sie kam mit ihrer Schwester Hella über ein Hamburger Kinderheim nach England.
Bis 1936 war es vielen Quakenbrücker Juden möglich, nach Südafrika, Palästina und in die Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern. Im Mai 1940 verließen die letzten Juden unfreiwillig Quakenbrück. „Hier sind keine Juden mehr“, vermerkte die Stadt Quakenbrück am 12. Mai 1941 in einem Schreiben an die Staatspolizei Osnabrück. Einige konnten nach Belgien flüchten, andere kamen bei Verwandten im Ruhrgebiet oder in Berlin unter, wo sie 1942 von der „Endlösung“ erfasst wurden.
Die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger, die Opfer von Deportation, Ermordung oder Vertreibung während der NS-Zeit wurden, ist auch in Quakenbrück Verpflichtung. So hat die Stadt im europaweiten Projekt „Stolpersteine gegen das Vergessen“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig einen Platz gefunden. Diese Stolpersteine, kleine würfelförmige Betonsteine mit einer Kantenlänge von etwa zehn Zentimetern, werden niveaugleich in das Pflaster der Gehwege eingepasst und tragen auf ihrer Messing-Oberfläche die individuelle Inschrift „Hier wohnte“ mit Vor- und Zunamen, dem Deportationsjahr und –ort sowie Angaben zum Schicksal der Person.
In bewegenden Aktionen, die von zahlreichen interessierten Bürgern, Vertretern von Stadtverwaltung, Politik und Kirche, vor allem aber von den Angehörigen der bedachten Familien begleitet wurden, sind am 22. September 2011, am 1. März 2014 und am 9. November 2015 an 14 Stationen insgesamt 40 Stolpersteine verlegt worden. Sie fanden jeweils auf dem Gehweg vor dem letzten frei gewählten Wohnort ihren Platz. Bei den Verlegungen 2011 und 2014 war der Künstler Gunter Demnig anwesend.
Die Quakenbrücker wollen zeigen, dass die Opfer nicht vergessen sind und sie der jüdischen Mitbürger gedenken. Hinter jedem einzelnen Stein stehen schwere Schicksale. Jedes Familienmitglied erhält auf diese Weise einen eigenen Gedenkstein, um an das individuelle Schicksal dieses Menschen zu erinnern.
Folgende Stolpersteine sind in Quakenbrück verlegt worden:
Ernst, Anna und Gitella Beer (Wilhelmstr. 13), Julia Kaufmann (Wilhelmstr. 14), Leopold, Erna, Hella und Ursula Simon (Farwicker Str. 2), Oskar, Alice und Ruth Simon (St. Antoniort 21), Lina und Sigmund Simon (Hasestr. 6), Else und Betty Gerson (Hasestr. 6), Johanna Kronenberg (Lange Str. 22), Lazarus, Elisabeth, Manfred und Fritz Cohen (Farwicker Str. 20), Benno Frank (Goldstr. 16), Elias und Friederike Hirschberg (Kreuzstr. 4), Hedwig Kohlberg (Lange Str. 1), Siegfried, Recha, Henriette, Ruth, Olga und Fritz Hirsch (Gartenstr. 8), Max, Helene und Adolf Kosses (Menslager Str. 104), Philipp, Frieda, Hans und Fritz Reinsberg (Bahnhofstr. 38), Walter, Selma und Resi Neublum (Friedrich-Ebert-Str./Ecke Kreuz-straße, ehem. Platz des Bethauses)
Weiterführende Literatur und Links:
Renate Rengermann: Sag mir, wo die Juden sind. Hundert Jahre jüdisches Leben in Quakenbrück. Eine Untersuchung (2013), erhältlich in den Buchhandlungen Buchgalerie Artland und Thoben sowie dem Stadtmuseum in Quakenbrück. Das Buch wurde in viele Länder verschickt. Alle Nachkommen der Juden, die jemals in Quakenbrück lebten, haben ein Exemplar erhalten.
Ursula Rosenfeld: „Der Kindertransport und der Film Into the Arms of Strangers“, auf Deutsch „In eine fremde Welt“, und Link zu www.denktag.de/2014familiesimons
Link zum Artikel in der NOZ „Auf der Spur der Stolpersteine“ von Heiko Bockstiegel